Mit Luft und Liebe…

In wenigen Tagen wird Soloflötistin Andrea Döring-Herrmann nach 40 Dienstjahren ihr letztes Konzert im MDR-Sinfonieorchester spielen (so es die angespannte Coronalage zulässt). In letzter Zeit war bereits jeder Dienst in der Flötengruppe ein kleiner Abschied nach dem anderen: das letzte Mal zu dritt (größere Besetzungen gab es nicht), das letzte Mal Bruckner, der letzte Abstecher ins Sendegebiet, das letzte Mal Beethoven, die letzte Fernsehshow… in ihrem letzten Konzert am 21.11. ist die Besetzung nur zu zweit bei uns Flöten, neulich bei zwei Kompositions-Werkstatt-Tagen gab es noch einmal ein sehr lustiges Solo für die Flötengruppe… Andrea führte wie immer mit viel Einsatz und Humor. Natürlich haben wir ihr auch noch ein paar Fragen gestellt, um sie hier im Blog an die mdr-Orchesterfreunde weiter zu geben:

Andrea, wie kamst Du damals zur Flöte und was war der entscheidende Anstoß, Musikerin zu werden?

Es war reiner Zufall. Mein damaliger Musiklehrer und Leiter des Pionierblasorchesters meiner Schule in Zschopau suchte nach Mädels, die das Querflötenspiel erlernen möchten. Ich (10 Jahre alt) habe mich gemeldet und wir drei “Auserwählten“ erhielten Unterricht von Alfred Hänig, damals Flötist a. D. des Theaters Karl Marx Stadt. Selbiger erkannte wohl mein Talent und / oder meine Musikalität und schlug mir vor, Musik zu studieren, um Profimusiker zu werden. Ich fand den Gedanken einfach spannend und so führte mich mein Weg nach Weimar und zu meinem 2. Lehrer Heinz Fügner, damals Soloflötist des Rundfunksinfonieorchesters Leipzig. Vier Jahre Studium, Probespiel und ich war Soloflötistin.

Andrea inmitten der Teilnehmer eines Weimarer Meisterkurses unter Leitung von Johannes Walther im Sommer 1981

Wie war es damals, neu ins Orchester zu kommen?

Es war wie ein Sprung ins kalte Wasser, denn meine ersten und einzigen Erfahrungen im Orchesterspiel hatte ich im Hochschulorchester in Weimar. Aber die erfahrenen Kollegen sowie mein erster Chefdirigent Herr Hauschild, einer von neun in meiner Laufbahn, standen mir immer mit Rat und Tat zur Seite.

…als junge Soloflötistin bei einer Ausstellungseröffnung in Leipzig

Meine erste Tournee führte mich ins kapitalistische 😉 Ausland, Italien, L`Aquila – 9. Beethoven. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung. Nach der Siesta fand quasi das Leben auf der Straße statt. Ganz im Gegensatz zu unserer Heimat. Der Besuch des Petersdoms – unglaublich. Tourneen führten mich quer durch Europa, aber auch nach China (Shanghai), Japan, Kuba. So unterschiedliche Länder und doch überall das gleiche aufgeschlossene Publikum. In Japan war es im Konzert so still, das man eine Nadel hätte fallen hören können.

War Dein Leben vorwiegend von der Flöte geprägt?

Nein. Bei mir zu Hause steht eine Gitarre. Leider habe ich das Spielen darauf sehr vernachlässigt, aber mir fest vorgenommen, es wieder zu aktivieren. Auch war ein Wunsch von mir, mal ein WO* mitzusingen und deswegen habe ich sogar Gesangsstunden genommen. Beim Wunsch ist es geblieben. [*gemeint ist das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach]

Ganz wichtig und unvergessen sind neben solistischen Aufgaben die vielen Auftritte mit „meinem“ Döring-Bläserquintett. Gegründet gleich nach meinem Eintritt ins Orchester 1982. Die daraus entstandenen Freundschaften halten bis heute!


Döring-Bläserquintett 1991 vor dem Mendebrunnen
Besetzung des Döring-Bläserquintetts 2019-2021 – v.l.n.r. Thomas Schulze (Horn), Leonie Dessauer (Ob), Andreas Pietschmann (Klar), Andrea Döring-Herrmann (Fl), Edgar Weicht (Fag)

Würdest Du deinen Weg als Musikerin noch einmal so gehen wollen?

Vielleicht ein anderes Instrument? Saxophonistin in einer Bigband fände ich spannend. Als Kind wollte ich Schlagersängerin werden, später Technische Zeichnerin, dann Friseuse. Es haben zwar andere Menschen meinen Berufsweg bestimmt, aber es war eine sehr gute Entscheidung. MusikerIn ist ein toller Beruf. Musik zu hören ist schon oft ein aufwühlendes Geschehen, aber mittendrin zu sein, unbeschreiblich.

Mitten drin bei „Wagner reloaded“ in der Arena Leipzig auf dem Hinterbühnengerüst

Wie hast Du Dich fit gehalten?

Erst haben mich meine 2 Kinder fit gehalten. Dann Joggen, Schwimmen, Fitnessclub.

…und ab und zu musste es die ganz große Nummer sein. 😉

Wie sehen Deine Zukunftspläne aus?

Reisen! Viel Zeit mit Mann, Freunden und Familie verbringen. Konzertbesuche, wenn möglich in aller Welt. Und ab und zu ein Pröbchen mit der Blaskapelle Witzschdorf, wo mein Bruder die Trompete spielt. Blasmusik –  da schließt sich der Kreis.

Was würdest Du dem musikalischen Nachwuchs von heute mit auf den Weg geben?

Ein Instrument zu erlernen, sollte jedem Kind ermöglicht werden. Um aber Berufsmusiker werden zu wollen, muss man heute mehr denn je dafür brennen, neugierig bleiben, trainieren wie ein Spitzensportler und auch eine Portion Glück haben, um überhaupt eine feste Orchesterstelle zu bekommen. Bei der Arbeit mit neun Chefs gab es Höhen und Tiefen. Aber: Dirigenten kommen und gehen – das Orchester bleibt. Seid kollegial und achtet aufeinander!

Danke für ein erfülltes Berufsleben, professionelle Kollegen und ein treues Publikum, ohne dass wir keine Daseinsberechtigung hätten.

Vielen Dank, liebe Andrea, für dieses Interview und alles Gute für den nächsten Lebensabschnitt!

3 Kommentare zu „Mit Luft und Liebe…

Gib deinen ab

  1. Liebe Andrea! Du warst eine tolle Kollegin! Mit dir so richtig loszulegen in den wunderbaren Neujahrskonzerten mit Walzern und Polkas hat mir besonders viel Freude bereitet. Deine unkomplizierte, frohe Art hat dem Orchester und der Flötengruppe gut getan. Auch Dein immerwährender Einsatz, Stellen innerhalb der Gruppe zu proben, damit sie wie aus einem Guss sind haben die gesamte Flötenmannschaft strahlen lassen!

    Geniesse das Leben und den ganzen Rest, bleibe gesund und dem Orchester gewogen!
    Herzensgrüsse von Deiner Piccolopfeife Britta

    Gefällt 2 Personen

  2. Liebe Andrea, es ist ein sehr gelungener Artikel! Du kommst so natürlich rüber wie du bist. Ich danke dir sehr für die erfüllenden Erlebnisse auf und hinter der Bühne. Genieße das Leben! Das gemeinsame Musizieren wird mir fehlen. Alles Liebe und Gute von Ute

    Gefällt 1 Person

  3. Liebe Andrea, du spieltest 1994 mit mir als junger Berufsanfängerin mein erstes Konzert im MDR-Sinfonieorchester – ich weiß es noch genau: Schostakowitschs 8. Sinfonie. Ein tolles, aufregendes Erlebnis damals für mich, du bereits erfahrene Kollegin, die mich beherzt an die Hand nahm. Was für ein Glück, dass ich nun auch dein letztes Konzert im Orchester mit dir spielen durfte, diesmal mit wunderbaren leisen Flötentönen am Schluss – Hindemiths Requiem. Ergreifend, gerade in diesen Tagen. Ein wunderbarer Kreis schließt sich. Durch viele hohe und tiefe Töne gingen wir, immer mit Freude an der Musik. Nun kommt ein neuer Lebensabschnitt für dich, genieße das Leben und Lieben, immer mit viel Luft um die neugierige Nase. Alles Gute noch einmal von mir und einen herzlichen Gruß an dich und Thomas, Susanne

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