Nach Vivaldis Sopraninokonzert konnte nur noch Trompete kommen!

Inzwischen ist es eine schöne, beliebte Tradition, neue Kollegen des MDR-Sinfonieorchesters hier im Blog vorzustellen. Ebenso positiv wurden auch die Artikel über MDR-Musiker aufgenommen, die sich nach vielen Berufsjahren in den Ruhestand verabschiedeten. Verständlich waren aber auch die Wünsche unserer Leser, etwas mehr über die Mitglieder des MDR-Sinfonieorchesters zu erfahren, die oft bereits seit vielen Jahren auf der Bühne im Orchester sitzen. Wir möchten das zum Anlass nehmen und beginnen heute an einer wichtigen Bläserposition, neugierige Fragen loszuwerden.

Heute im Blog: Jörg Baudach, koordinierter Solotrompeter im MDR-Sinfonieorchester (das Interview führte Susanne Schneider)

Lieber Jörg, 10 Jahre bist du nun schon Solotrompeter im MDR-Sinfonieorchester. Was ist für dich das Besondere, Mitglied in diesem Orchester zu sein? 

Das Besondere in den letzten 10 Jahren war und ist, dass ich mit unglaublich netten Kollegen auf Topniveau zusammen Musik spielen darfDies ist keine gewöhnliche Grundsituation in einem Orchester

Was gehört in dieser Zeit für dich zu den außergewöhnlichsten Erlebnissen im MDR-Sinfonieorchester?

Da gibt es tatsächlich zwei Erlebnisse, die ich durchaus hervorheben kann. Einerseits ein musikalisches Erlebnis, nämlich ein Konzert – 2013 glaube ich – mit der 5. Sinfonie von Anton Bruckner unter David Gaffigan. Da hat für mich irgendwie alles gepasst. Anderseits war für mich unsere Japantournee 2019 schon außergewöhnlich, da dies die erste große Tournee mit dem MDR-Sinfonieorchester war.

Wie lange begleitet dich Musik in deinem Leben? Gab es ein erstes musikalisches Erlebnis, das den Anstoß gab, Musiker zu werden? Warum wurde die Trompete „dein“ Instrument? 

Oh, so viele Fragen auf einmal, aber ich versuche es mal: Mit Klassischer Musik bin ich aufgewachsen. Mein Vater war Cembalobauer, spielt selbst Orgel und er interessiert sich vorwiegend für barocke Kirchenmusik. Da kam man als Kind gar nicht drumherum Bachkantaten oder Orgelmusik zu hören. Mein Einstiegsinstrument war die Blockflöte und ich habe diese glaube ich recht gut bedient und habe es bis zum Vivaldi Sopraninokonzert geschafft… aber mit 12 hatte ich darauf keine Lust mehr. Als Junge auf dem Dorf konnte ich damit überhaupt nicht punkten, musikalische Einsätze mit der Blockflöte in der Schule fand ich für mich immer recht peinlich, mir stand eher der Sinn nach dem Fußballplatz…

Fußballer oder Musiker?

Meine Eltern sahen aber offensichtlich in mir ein musikalisches Talent und wählten mit meinem Einverständnis die Trompete als neues Instrument. Sicherlich hat auch die ein oder andere Aufführung des Weihnachtsoratoriums- die ich mit meinen Eltern besuchte- einen großen Anteil an meinem Weg, Trompeter zu werden. Ab dann waren für mich die Trompetenparts in den Bach‘schen Werken immer ein Ziel, das wollte ich auch mal können. Tja, und dann ging es auf der Trompete auch recht schnell voran. Ich kam in die Spezialschule für Musik nach Weimar und dort wurde gar nicht mehr groß über den Wunsch Berufsmusiker nachgedacht. Dies stand irgendwie automatisch im Raum

Gibt es ein Stück über das Du Dich besonders freust, wenn es auf dem Programm steht, weil du es sehr gern im Konzert spielst? Welche Komponisten/Werke magst du besonders?

Ein sogenanntes Lieblingswerk, wo ich mich besonders auf das Konzert freue, habe ich eigentlich nicht. Auf Konzerte mit Werken von Brahms,Mendelssohn, Schumann,Bruckner, Tschaikowsky,Mahler und Richard Strauss freue ich mich aber schon, denn dies ist sinfonische Musik im puren Sinne für mich.

In einem Rundfunkorchester ist ein sehr vielfältiges Programm zu spielen. Sehr groß besetzte Sinfonien, klein besetzte Kammerwerke, moderne Stücke der unterschiedlichsten Stilrichtungen, Chorsinfonik, romantisches Standard-Repertoire bis zum kleinen Wiegenlied mit Kinderchor begegnet einem alles. Die Trompete hat in vielen Werken eine besondere Rolle und die Solotrompete ist eine Schlüsselstelle im Orchester, als Rundfunkmusiker muss man vielseitig sein. Trompeter haben die Möglichkeit, aber auch oft die Pflicht, viele verschiedene Trompeten zu spielen je nach Stilepoche und Genre. Wie viele verschiedene Trompeten besitzt du? Wie viele sind in ständigem Gebrauch? Gibt es Vorlieben? 

Ja es stimmt, für die vielen Werke und Stilrichtungen muss man sehr flexibel als Trompeter sein und ich besitze tatsächlich inzwischen 18 Trompeten. Instrumente, die für Brucknersinfonien geeignet sind, empfehlen sich meist bei Filmmusiken oder jazzigen Werken nicht unbedingt. Aber alle Trompeten sind nicht ständig im Einsatz, 4-5 schon eher.

Gibt es noch andere „Nebeninstrumente“ neben der Trompete? Ich denke zum Beispiel an deine legendären spontanen Schlagzeugeinlagen auf diversen „Ersatzinstrumenten“ bei Weihnachtsfeiern… oder ist das zuviel aus dem Nähkästchen geplaudert?

Neben der Trompete kann ich kein weiteres Instrument spielen. Die Trompete zu bewältigen, ist für mich Lebensaufgabe genug. Und auf die Weihnachtsfeier angesprochen, dies würde ich jetzt mal nicht als Schlagzeugeinlage bezeichnen – das wäre eine Beleidigung für die Musiker und Kollegen, die das richtig können…

Dirigentenfrage! Zwei Extreme: Klare Strenge oder offener Arbeitsplatz mit viel Austausch im Konzert-Moment? Wie sollte ein Orchester dirigiert werden, damit es eine Sternstunde für das Publikum wird? 

Dirigentenfragen…! Meiner Meinung nach sollte ein Dirigent oder eine Dirigentin vorrangig helfen, ein  Orchester zu einer gemeinsamen überzeugenden Ausführung eines Werkes zu führen. Darüber hinaus sollte er oder sie sich nicht als alleinwissender Rechthaber über den Kosmos der Musik erheben. Meine Erfahrung ist, dass richtig gute Dirigenten eher durch individuelle Klasse überzeugen und somit eine natürliche Autorität haben. Ist das gemeinsame Musizieren zwischen Dirigent und Orchester von gegenseitigem Respekt geprägt, entstehen diese sogenannten „Sternstunden“ für das Publikum. Sogenannte „strenge“ Herren oder Damen der Zunft – sogenannte Orchestererzieher – übertuschen meistens mit ihrer Art ihre eigene Unsicherheit. Gute Konzerte können da sicherlich auch entstehen, aber „besondere“ Momente eher nicht.

Wie erlebst du in den Orchesterkonzerten die Verbindung zum Publikum? Inwieweit erlebst Du, dass du die Menschen berührst? Gibt es da einen Austausch, wenn ja, wie? 

Eine Verbindung zum Publikum spürt man beim Betreten der Bühne. Die Atmosphäre der freudigen Erwartung des Publikums liegt unmittelbar im Raum. Dies motiviert einen noch mehr, sein Bestes in diesem Moment zu geben. Als Ausführender im Konzert bin ich allerdings sehr in der Konzentration für mein  eigenes Tun, da bekomme ich von einer unmittelbaren Reaktion des Publikums nicht so viel mit. Ob das Konzert oder das erklungene Werk das Publikum berührt hat, bemerke ich erst, wenn der letzte Ton verklungen ist – in der Art des Applauses und in den Gesichtern der Menschen.

Die Coronakrise traf uns Musiker hart, von einem Tag auf den anderen war es (fast) still. Wie erlebtest du diese Zeit? Was denkst du, wird uns die nahe und ferne Zukunft bringen, wird diese Krise nachhaltige Auswirkungen auf das Kulturleben in Deutschland, aber auch bei uns im kleineren, lokalen Raum haben?

Als Musiker mussten wir in dieser Pandemie erkennen, dass unsere Arbeit  im Orchester und Konzerte vor Publikum, für die Gesundheit der Gesellschaft zu gefährlich ist. Dies ist eine brutale Situation für alle Künstler, die es so in diesem Ausmaße noch nicht gab – auch nicht im Krieg. Musiker und Künstler konnten immer mit ihrer Kunst – auch besonders in schweren Zeiten – Trost spenden und für Hoffnung, Zuversicht und Frohsinn sorgen. Plötzlich fühlte man sich als das Stückchen Kuchen, dass ein Patient ab sofort nicht mehr essen durfte, nachdem der Arzt bei ihm schwere Diabetes diagnostiziert hatte. Um in diesem Vergleich zu bleiben: Hoffentlich gibt es für diesen Diabetespatienten bald eine wirksame Medizin, dass dieser wieder die vielen Leckereien unbekümmert essen kann und nicht nur die Bilder im Backbuch als Erinnerung anschauen darf. 

Die Kassen der Länder und Kommunen sind in dieser Pandemiezeit nicht gerade voller geworden. Vor dem Hintergrund, dass kulturelle Ausgaben in Haushalten immer freiwillige Leistungen sind, kann man sich denken, wo die Reise hingeht. Der Rechtfertigungsdruck in Richtung Finanzen war für sämtliche Künstler und Kulturschaffenden ja schon vor der Pandemie immer sehr hoch. Politische Einsparungsdiskussionen, Kürzungsdebatten und Theaterschließungen  erleben wir Kulturschaffenden seit der Wende.

Es wird für die Kultur nachhaltig sehr,sehr schwierig, in dieser reichhaltigen Breite zu überleben – es sei denn, das Publikum fordert es hörbar bei der Politik ein. Darauf war eigentlich immer Verlaß! 

Gehört Musik ganz natürlich zu deinem Leben, ist es ein Lebensinhalt oder „nur Beruf“? Wo suchst du Ausgleich zum Musikerleben? Gibt es besondere Leidenschaften jenseits des Berufs? 

Ich sag es mal so: Der Musikerberuf bestimmt mein Leben, weil man, einfach schon durch das „üben müssen“ täglich damit konfrontiert wird, auch wenn man mal keine Lust hat. Deswegen ist irgendwie täglich Musik. Ausgleich finde ich natürlich in meiner Familie, da gibt’s ja ständig andere Dinge zu erleben und zu lösen. Das lenkt Gott sei Dank auch manchmal ab! Besondere und erwähnenswerte Hobbys habe ich eigentlich nicht, aber ich habe vor, auf dem Hof der Eltern eine Wohnung auszubauen…

Worauf freust du dich in naher oder ferner Zukunft? 

Ich hoffe und freue mich auf normales Leben, ohne tägliche Meldungen über Coronainfizierte… 

Gibt es ein besonderes Konzert, das du den Orchesterfreunden empfehlen möchtest?

Ein Spielzeiteröffnungskonzert ist immer eine gute Empfehlung!

Das ist eine sehr gute Empfehlung! Vielen Dank für die interessanten Einblicke und ausführlichen Antworten!

Ein Interview hier abzudrucken ist eine schöne Sache, noch schöner wäre es natürlich, wenn wieder einmal ein Treffen der mdr-Orchersterfreunde stattfinden, man sich von Angesicht zu Angesicht sehen und vielleicht weitere aufkommende Fragen stellen könnte. Vor der Corona-Krise gab es regelmäßige Probenbesuche vor allem der Leipziger Vereinsmitglieder. Am Rand dieser Besuche kamen Orchesterfreunde und Musiker miteinander ins Gespräch und lernten sich mehr und mehr kennen. All das fehlt nun schon so lange. Die Coronakrise hat uns gezeigt, dass physische Treffen manchmal nicht möglich sind, aber sie hat uns auch neue Möglichkeiten eröffnet, miteinander in Kontakt zu kommen. Das MDR-Sinfonieorchester hat ein großes Sendegebiet zu bespielen. Seit wir auf unseren Socialmedia-Kanälen über viele Projekte und Konzerte des Orchesters berichten, hat sich der Kontaktradius unseres Freundeskreises sehr vergrößert. Vielen Dank an dieser Stelle für das Interesse, die schönen Kommentare und vielen Likes, das freut uns alles sehr! Nicht alle, die sich für das Orchester interessieren, können einfach mal so zu Probenbesuchen oder Treffen anreisen, deshalb haben wir uns etwas anderes ausgedacht und wollen wir einen Versuch starten.

Jörg Baudach hat sich bereit erklärt, für weitere Fragen, die Sie nun nach diesem Interview eventuell an ihn haben, in einem ersten Online-Treffen interessierter Orchesterfreunde aus nah und fern via Zoom (Dauer ca. 30-40 Minuten) zur Verfügung zu stehen. Anmelden kann sich jeder (für eingetragene Vereinsmitglieder ist die Teilnahme selbstverständlich kostenlos, nicht eingetragene Orchesterfreunde werden um eine kleine Spende gebeten).

Wann? – Mittwoch, 21. Juli 2021 – 19:30 Uhr via Zoom

Wenn Sie teilnehmen möchten, bitten wir Sie, sich bis spätestens 19.7. bei uns anzumelden (Kontakt – Mail an: Kontakt@mdr-orchesterfreunde.com). Wir werden Ihnen dann rechtzeitig vor dem Termin die Zugangsdaten zum Zoom-Meeting zusenden.

Wir hoffen, unser Angebot stößt auf reges Interesse und Sie haben viele neugierige Fragen an Jörg Baudach. Wir freuen uns auf Sie!

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