Julia Obergfell, 25 Jahre jung und neben dem Orchesterdienst auch noch Studentin im letzten Mastersemester an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock bei Prof. Gregor Witt, ist seit Dezember 2019 Oboistin im MDR-Sinfonieorchester.
Herzlich willkommen Julia Obergfell – das Probejahr ist bestanden, herzlichen Glückwunsch! Im Dezember 2019 bist du nach Leipzig gekommen, bereits im März gab es gravierende Einschnitte in die Orchesterarbeit, alles stand still auf den Bühnen und dennoch ging es irgendwie weiter. Wie erlebtest du persönlich dein erstes Jahr im MDR-Sinfonieorchester? Was ist für dich das Besondere, Mitglied in diesem Orchester zu sein? Was zählst du zu den besonderen Erlebnissen im Orchester in diesem Jahr?
Es hat alles ganz wunderbar begonnen und dann war plötzlich alles ganz anders als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Besondere Erlebnisse gab es aber auch ab März einige. Da erinnere ich mich an den MDR-Liederlieferdienst, später den MDR-Musiksommer und im August gab es dann das Kennenlernen unseres neuen Chefdirigenten Dennis Russel Davies. Mein erstes Jahr war im großen Teil von Corona geprägt. Das Positive war, dass ich zumindest ein paar Kollegen durch die kleinen Besetzungen sehr gut kennenlernen durfte. So konnte ich in die tolle Arbeitsatmosphäre unter den MDR-Musikern wunderbar hineinwachsen.
Wie lange begleitet dich schon Musik in deinem Leben? Gab es ein erstes musikalisches Erlebnis, das den Anstoß gab, Musiker zu werden?
Mit fünf Jahren habe ich ein ganz altes Klavier als Geschenk bekommen. Man sagte, ich hätte Talent.

Warum wurde die Oboe „dein“ Instrument?
Die Oboe ist für mich das schönste Instrument mit dem wundervollsten Klang.
Was war bisher deine prägendste künstlerische Erfahrung?
Spontan fällt mir da die Europatournee des Gustav-Mahler-Jugendorchesters unter der Leitung von Daniel Harding und Wagners „Ring des Nibelungen“ unter der Leitung von Daniel Barenboim als damalige Akademistin der Staatskapelle Berlin ein. Aber vielleicht liegt die prägendste Erfahrung ja auch noch in der Zukunft.

Was fasziniert dich an deinem Beruf am meisten?
Die Musik. Und ihre Wirkung.
Die Oboe ist ein vielbeschäftigtes Instrument in der Orchesterliteratur, von Barockmusik bis Moderne wird sie sehr vielseitig eingesetzt, bei manchen Stücken, gerade in der Barockzeit spricht man von „kleiner Trompete“ oder es kommt: „Wenn es am schönsten wird, kommt ein Oboensolo!“ Gibt es bei dir Vorlieben für Stilepochen und Genre?
Das fällt mir jetzt richtig schwer, mich festzulegen…
Wer sich ein Doppelrohrblattinstrument ausgesucht hat, ist gezwungenermaßen gleichzeitig auch Handwerker, denn die Rohre für die Oboe brauchen oft noch kurz vor dem Konzert einen Feinschliff. Baust du deine Rohre von Grund auf selbst und hast du dafür eine eigene Werkstatt? Dürfen wir einen kleinen Blick hinein werfen?
Unter anderem in Südfrankreich wachsen wunderbare, goldgelbe Schilfrohre, die nach der Ernte und einem langen Trocknungsprozess für unsere eigene Mundstücksproduktion unverzichtbar sind. Von diesem Stangenholz baue ich mir meistens jede Woche neue Mundstücke und muss mich dabei immer auf die Natur und ein gut gewachsenes Holz verlassen können. Keines ist wie das andere. Man muss also flexibel sein. So bin ich in der Tat auch eine Handwerkerin. Unsere Maschinen für die Bearbeitung der Hölzer sind von höchster feinmechanischer Qualität, die es stets zu justieren und pflegen gilt. Dazu kommt das Schaben von Hand für die letzten hundertstel Millimeter. Ganz vorne ist unser Mundstück circa 10 hundertstel Millimeter dünn. Das ist ungefähr so dünn wie ein DINA4-Blatt. Da braucht man ein ruhiges Händchen. Einen kleinen Einblick gebe ich natürlich gerne.

Du bist im Orchester auch zum Nebeninstrument Englischhorn verpflichtet. Beschränkst du dich auf Doppelrohrinstrumente oder gibt es noch weitere „Nebeninstrumente“?
Das wäre dann wohl das Klavier. Bis zum Oboenstudium habe ich es sehr viel gespielt. Ein bisschen davon ist übrig geblieben.
Dirigentenfrage! Was ist Dir persönlich lieber, ein klar vorgebender, strenger Maestro oder ein Dirigent, der einen offeneren und kooperativen Arbeitsstil pflegt, der den Orchestersolisten viel Gestaltungsspielraum lässt?
Humorvolle Genauigkeit mag ich ganz gerne.
Wie erlebst du in den Orchesterkonzerten die Verbindung zum Publikum? Inwieweit erlebst Du, dass du bei Konzerten Freude und Unterhaltung zu den Menschen bringst?
Diese kleine Spannungspause zwischen dem letzten Ton einer Sinfonie und dem Beifall empfinde ich als etwas ganz Besonderes und hier entsteht zum Beispiel auch eine Verbindung zum Publikum. Ich freue mich zudem, wenn das Publikum mit einem Lächeln und zu Gesprächen angeregt aus dem Konzert kommt.
Was denkst du, wird uns die Zukunft bringen? Was wünschst du dir für die Zukunft des Orchesters?
Jetzt erst einmal wird die Zukunft uns ganz viel Ausdauer und Flexibilität abverlangen. In fernerer Zukunft wünsche ich mir für das Orchester, dass es wieder voll besetzt die unglaublich tollen Werke von zum Beispiel Mahler und Bruckner live für viele Musikliebhaber spielen darf.
Wo suchst du Ausgleich zum Musikerleben? Gehört Musik ganz natürlich zu deinem Leben, ist es ein Lebensinhalt oder „nur Beruf“? Gibt es besondere Leidenschaften jenseits des Berufs?
Musizieren ist in meinen Augen zunächst etwas sehr Natürliches. Es beruflich auszuüben, ist eine Lebensstilentscheidung, bei der man viel Fleiß, Ausdauer und auch eine Portion Glück braucht.
Ausgleich finde ich bei meiner Familie, beim Sport, Lesen, gutem Essen und geselligen Treffen. Außerdem reise ich normalerweise sehr gerne.
Worauf freust du dich in naher Zukunft? Gibt es ein besonderes Konzert, was du den Orchesterfreunden empfehlen möchtest?
Alle Konzerte, die wieder stattfinden!!!
Vielen Dank für diese schönen Einblicke, liebe Julia und viel Erfolg im MDR-Sinfonieorchester!
Das Interview führte Susanne Schneider
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