Morgen, am 27. Januar 2023, findet das 20. Große Benefizkonzert der Musiker:innen des MDR-Sinfonieorchesters statt, in diesem Jahr zugunsten der Lebenshilfe Leipzig e.V., wir berichteten bereits in diesem Beitrag darüber.
Es wird eine Uraufführung geben!
Ulrich Stiehl, selbst Betroffener der Lebenshilfe, hat sich musikalische Gedanken zu dem Thema Inklusion gemacht und in Zusammenarbeit mit Gerd Fischer, Trompeter im MDR-Sinfonieorchester, eine Partitur für großes Orchester erstellt, die morgen erstmals im Konzert erklingen wird. Titel des Stückes ist Inklusion mit Musik. Herr Stiehl war bei den Proben im Orchestersaal im MDR-Würfel dabei und strahlte von Probe zu Probe mehr.

Bereits im Jahr 2020 sollte das Stück in einem Benefizkonzert aufgeführt werden, dazu kam es aufgrund der Pandemiebeschränkungen nicht, das Konzert musste 2020 ausfallen. Herr Stiehl schrieb damals seine Intentionen zum Stück auf, die wir Ihnen gern vor dem Konzert an die Hand geben möchten:
Vor über 30 Jahren waren die Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen noch nicht so gut wie heute.
Deshalb wurde 1990 auch die Ortsvereinigung der Lebenshilfe in Leipzig als Elternvereinigung gegründet. Im ersten Teil soll immer lauter zum Ausdruck gebracht werden, dass damals vieles noch nicht so gut war und dass vieles noch verbessert werden sollte. Das Orchester übernimmt stellvertretend die Position der Eltern und die der Menschen mit Behinderungen.
Im zweiten Teil soll das Orchester die Position der Menschen mit ihren jeweiligen Behinderungen übernehmen. Wir möchten ernst genommen werden. Wir möchten Selbstvertreter sein. Jeder einzelne soll seine eigene Stimme bekommen. Jeder kann etwas gut. Jeder hat Stärken. Jede Instrumentenstimme alleine, soll also stellvertretend für einen Menschen mit seiner Behinderung und mit seinen Stärken stehen. Doch in unserem Alltag wird das oft noch nicht überall so akzeptiert. Deshalb „donnern“ im letzten Takt alle ein lautes NEIN dazwischen.
Im dritten Teil erleben wir unseren Alltag. Etwas gemeinsam zu schaffen ist oft sehr schwer. Jeder hat andere Vorstellungen. Deshalb können auch in diesem Teil noch nicht alle Instrumente harmonisch miteinander zusammen spielen. Nur einige wenige Instrumente versuchen es wenigstens. Aber in unserem Alltag versuchen es leider noch nicht alle Menschen. Stellvertretend für etwas nicht abwarten zu können oder für ein Dazwischenreden beginnt voreilig im Takt 16 der Kontrabass.
Im vierten Teil gibt es einen Selbstvertreter der sich etwas zutraut. Er versucht in seinem eigenen Tempo zu erklären, was er noch nicht so gut kann und wo er noch Hilfe und Unterstützung benötigt. In unserem Alltag erleben wir aber immer wieder, dass es bei Menschen mit Behinderungen etwas länger dauern kann und dass uns das miteinander Zuhören oft sehr schwer fällt. Hier sollen deshalb stellvertretend die anderen Instrumentalisten versuchen, diese Länge, ohne mitspielen zu dürfen, auszuhalten.
Im fünften Teil soll ein neuer Versuch unternommen werden, sich gemeinsam miteinander zusammenzufinden. Doch in unserem Alltag begegnen wir immer wieder Menschen, die recht überheblich davon überzeugt sind, alles besser zu wissen. Stellvertretend für diese Überheblichkeiten und für dieses Besserwissen „zerstört“ die Gegenstimme die Bemühungen der anderen.
Im sechsten Teil bleiben wir zuversichtlich und versuchen es erneut: Wir leben mit Lust und Freude. Nur manche ganz sanft und ruhig, zum Leide. Vergnüget, beglücket, aus vollen Herzen. Musik, eine Kunst, um neue Kräfte zu tanken und der es sich lohnet ihr öfter zu danken.
Eigentlich ist Teilhabe doch gar nicht so schwer. Eigentlich braucht Teilhabe gar nichts besonderes mehr. Denn, froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König! Aber auch in diesem siebenten Teil können noch nicht alle Instrumentenstimmen miteinander zusammen spielen. Denn Inklusion gibt es immer noch nicht überall. Inklusion kann ich nicht erzwingen. Inklusion kann zwar eine gute innere Einstellung sein, aber leider kann man sie noch nicht bei jedem erkennen. Deshalb soll auch der eigentliche Schluss meiner Komposition offen bleiben und noch unfertig klingen.
Heute, möchten wir hier in diesem Konzert alle gemeinsam miteinander teilhaben. Deshalb gibt es zusätzlich noch einen eigenständigen Gesamtorchestersatz zum Kanon. Jeder, der möchte, darf diesen Kanon mitsingen, sich dazu bewegen, dazu klatschen oder…
U.S. – Leipzig, 2020

Nun gibt es eine neue Möglichkeit zu einer Uraufführung und wir Musiker freuen uns darauf!
Bis morgen… wer noch immer keine Karte hat, es gibt eine Abendkasse!
Fotos: Eckart Wiegräbe

Auf Instagram ist hier nun dauerhaft eine Story #Lebenshilfe zu finden.

30.1.2023 – Update von Ute Günther
Geschafft!
Über 400 Besucher erlebten einen stimmungsvollen Konzertabend. Nicht allein die erreichte Spendensumme von 9447,12 Euro erfüllt uns mit Dankbarkeit. Der Erfolg der Komposition „Inklusion mit Musik“ von Ullrich Stiehl zeigt, miteinander Teilhaben ist möglich. Sein musikalisches Talent wurde zu seiner großen Freude mit gebührendem Beifall belohnt. Ein Beispiel gelebter Inklusion.




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