Es ist eine Tradition beim MDR, eines seiner Matinéekonzerte am Totensonntag aufzuführen, jedoch immer mit einer diesem Ewigkeitssonntag angemessenen Musik. So stand das dritte Konzert dieser Saison unter der Überschrift Kaddish. Kaddish, das jüdische Totengebet, hat Leonard Bernstein zum Titel seiner Sinfonie Nr. 3 für Orchester, gemischten Chor, Knabenchor, Sprecher und Solosopran gewählt. In diesem Werk setzt sich der Komponist kritisch mit dem Glauben und mit Gott auseinander, in selbst verfassten Kommentaren, die von einem Sprecher leidenschaftlich vorgetragen werden. Dieser Text ist ein Gespräch mit Gott, es geht darum, wie sich der Mensch von seinem Schöpfer unterscheidet und ob Gott sich von seiner Schöpfung abgewendet hat. Er findet das Reich Gottes steril, es gibt nichts zum Träumen. Leidenschaftlich stellt der Komponist fragen. Damit macht er es sich nicht leicht. Er schimpft, entschuldigt sich und findet schließlich Ruhe und Frieden.

Diese Auseinandersetzung und das immer wieder gesungene Gebet, erst sehr emotional, dann ruhig und schließlich jubelnd haben mich sehr bewegt und ich habe in der Konzertpause noch lange über die Aktualität dieses Werkes, das ja schon 1963 entstanden ist, nachgedacht. Für mich war die Umsetzung der Sinfonie mit dem Orchester, dem Rundfunkchor, dem Kinderchor, der Sopranistin Sarah Wegener und dem Sprecher des anspruchsvollen Parts Thomas Hampson sehr stimmig.

Nach der Pause spielte das Orchester die Sinfonie Nr. 9 d-Moll von Anton Bruckner. Bruckner muss offenbar abgesehen haben, dass dieses Werk sein letztes sein würde, und er hat ihm die Widmung „an den lieben Gott“ gegeben. Auf mich wirkte die Sinfonie allerdings nicht wie die Komposition eines schon erkrankten Menschen, die Musik empfand ich als kraftvoll, auch in den innigen Passagen.
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