+++ 50 Jahre Städtepartnerschaft Brno – Leipzig +++ 100 Jahre MDR-Sinfonieorchester +++ 150 Jahre Brno´s Besední dúm
Drei schöne Jubiläen sind das, eine gute Gelegenheit, miteinander etwas zu feiern. Dazu heißt es: Wir gehen auf Reisen! Und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Das MDR-Sinfonieorchester gastiert mit Chefdirigent Dennis Russell Davies und Emanuele Arciuli, Klavier, am Freitag, dem 13.10.2023, beim Brno Music Festival – Moravia Music 2023 und fast zeitgleich bricht eine kleine Reisegesellschaft, bestehend aus Oberbürgermeister Burkhard Jung mit einigen Stadträten und Leipziger Bürgern zu einer 4-tägigen Reise nach Brno auf. Eine mitreisende Bürgerin ist auch Frau Friede, mdr-Orchesterfreundin. Wir möchten die Gelegenheit nutzen und mit diesem „mitwachsenden“ Blogartikel hier in unserem Blog wieder etwas von unterwegs berichten, werden einige Eindrücke unter den Musikern sammeln und Frau Friede wird etwas von ihren Erlebnissen beisteuern.
Morgen, Donnerstag, 12.10., ist Generalproben- und Reisetag. Ein Programm mit monumentalem Finale erwartet das Publikum zuerst am Freitag im Janacek-Theater und dann am Sonntag nach der Rückkehr im Leipziger Gewandhaus:

Donnerstag, 12.10. – Generalprobe



Freitag, 13.10.2023









Nach dem Konzert gab es ein Zusammentreffen der Leipziger Reisegruppen und des MDR-Sinfonieorchesters im Foyer des Janaček-Theaters, viele Begegnungen und schöne Gespräche nach 50 Jahren Städtepartnerschaft von Brno und Leipzig. Interessanter Punkt: Unserem Archivar Bernd Strauß fiel bei Antritt von Dennis Russell Davies als Chefdirigent des MDR-Sinfonieorchesters in Leipzig auf, dass das Rundfunksinfonieorchester Leipzig 1957 in Brno spielte. Nun ist DRD Chefdirigent in beiden Städten. Eine wunderbare Gelegenheit, dass beide Orchester wieder einmal Gegenbesuche unternehmen. Wo das Leipziger Orchester damals spielte weiß ich nicht, das Janaček-Theater wurde erst 1965 fertiggestellt, vermutlich war das Konzert damals im Mahen-Theater, doch wer weiß das noch?


Samstag, 14.10. 2023






Janaček, bereits als Schüler in Brünn, studierte später in Leipzig und Wien, kam zurück nach Brünn und begann dort zu leben und zu arbeiten. Am 12. Dezember 1880 dirigierte er die Brünner Aufführung von Smetanas Moldau im Beseda-Haus. Im Herbst 1881 wurde er als Direktor der neuen Orgelschule in Brünn angestellt, die Schule selbst wurde ein Jahr später, am 15. Oktober 1882, eröffnet. Janáček blieb ihr Direktor bis zu seiner Pensionierung 1919; zudem war er 1881 bis 1888 Dirigent der Philharmonischen Gesellschaft. 1919 wurde Janáček Direktor des neu gegründeten privaten Konservatoriums in Brünn, nach der Verstaatlichung 1920 schließlich Professor einer Meisterklasse für Komposition. Er liegt in Brünn begraben.



Interessant waren die Ausführungen zum Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Janaček zum Beispiel konnte bei einem Konzert, das Richard Strauss in Brünn dirigierte, einst nicht zuhören, da er als Tscheche keinen Zutritt zum Deutschen Haus hatte.




Auf besondere, musikalische Spurensuche begaben sich einige Posaunenkollegen aus dem #mdrSO. Der Komponist Theodor Hlouscheck, der vor ziemlich genau 100 Jahren in Brünn geboren wurde (27.9.1923), hat eine besondere Verbindung zu unserem Sendegebiet. Nach Krieg und Gefangenschaft ging er, da dann als Sudetendeutscher vertrieben, an die Musikhochschule Weimar, um sein in Brünn begonnenes Studium dort zu beenden und wurde als Dozent angestellt. Da vermutlich nicht parteikonform, erlangte er keine höheren Ämter. 2010 ist er in Weimar verstorben.


Auf eine weitere Komponistin aus Brno wurden wir aufmerksam gemacht, die lange Zeit fast vergessen war und deren Werke nach und nach wiederentdeckt werden: Vítězslava Kaprálová, bereits 1915 in Brünn geboren und leider bereits jung 1940 nach schwerer Kranheit verstorben.






Die Gruppe, der ich angehöre, besuchte heute den Deutschen Kulturverband der Region Brünn. Wir wurden von mehreren Damen und Herren begrüßt, die auch schon etwas in die Jahre gekommen waren. Sie widmen sich der deutschen Sprache, aber das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache geht auch bei der Brünner Jugend zurück. So versucht man mit kleinen Kindern spielerisch über das Singen von deutschen Liedern die deutsche Sprache wieder zu beleben, ohne auf Grammatik und Feinheiten zu achten. Ob die Kinder später wirklich richtig Deutsch lernen, ist schwer zu sagen. Es kamen von deutscher Seite auch Vorschläge zur Mitgliedergewinnung, doch der Verband, der etwa 60 Mitglieder hat, wartet eher, dass die Leute auf ihn zu kommen. Sie veranstalten allerdings mit Germanistikstudenten Projekte über deutsche Themen. Das letzte Projekt war Kafka gewidmet. Verbandsmitglieder haben Kontakt zum Verein Städtepartnerschaft Leipzig – Brno e. V. Dieser Verein ist sehr rührig und hat auch die erlebnisreiche Bürgerreise von Leipzig nach Brünn organisiert. Leider hatten wir beim Deutschen Kulturverband nur begrenzt Zeit, weil wir anschließend zur Burg Spilberk gefahren sind. Dort wurde eine Fotoausstellung Leipzig -. Brno eröffnet, die später auch in Leipzig gezeigt werden soll.
Christina Friede




Kurz vor Zielankunft gab der Himmel alles und zeigte wundervolle Wolkenformationen und Farben, dazu die beginnende Herbstfärbung der Bäume. Das MDR-Sinfonieorchester ist wieder zurück in Sachsen, denn „nach dem Konzert ist immer vor dem Konzert“… am Sonntag folgte noch ein Konzerttag mit gleichem Programm in Leipzig. Die Leipziger Reisegruppe rund um Oberbürgermeister Jung reiste am Sonntag über Theresienstadt, wo eine Gedenktafel für jüdische Leipziger Bürger, die an diesem Ort ums Leben kamen, enthüllt wurde, nach Hause. Hier noch einmal einige Bilder von Christina Friede:




Den Abschluss unserer Bürgerreise nach Brünn bildete ein Besuch in Theresienstadt. Er begann mit einer Feierstunde, die von einem jüdischen Musiker auf der Klarinette umrahmt wurde. Es sprachen der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte und Oberbürgermeister Jung. Danach enthüllte der Ehrenvorsitzende der israelitischen Gemeinde in Leipzig, der 92-jährige Rolf Isaacsohn, eine Gedenktafel, die an die etwa 1.000 jüdischen Bürger, die aus Leipzig nach Theresienstadt deportiert wurden, erinnert. Von ihnen haben nur wenige überlebt. Aus einer anderen Quelle weiß ich, dass der jüdische Kantor, der in Leipzig wirkende Barnet Licht, zu den Überlebenden zählte.
Die Gedenktafel wurde aufgrund einer Petition, die bemängelte, dass es in Theresienstadt keine spezielle Erinnerung an Leipzig gibt, angebracht. Dazu sagte ein Mitglied der jüdischen Gemeinde noch etwas. Sie erklärte auch, dass zurzeit wegen des Krieges in Israel die Synagoge in Leipzig mehr besucht wird, als es sonst üblich ist.
Rolf Isaacsohn ist ein Zeitzeuge, er wurde als Kind mit seinem Vater nach Theresienstadt gebracht. Erst vor wenigen Jahren ist ein Poesiealbum aufgetaucht, in dem sich die Kinder damals verewigt hatten. Er hat als elfjähriger Junge geschrieben, dass nach jedem Krieg wieder Frieden herrscht. Das hat mich sehr berührt.
Danach hatten wir noch eine kleine Führung durch die Festungsanlagen und wir bekamen dabei erklärt, dass der ganze Ort Theresienstadt ein Ghetto war. Die tschechischen Bewohner wurden ausgesiedelt, der Ort mit Juden besiedelt. Einen Stacheldrahtzaun gab es nicht, da zwei Festungen und ein Fluss den Ort umschließen, so dass eine Flucht unmöglich war. Der Außenwelt wurde ein „normales“ Leben in Theresienstadt vorgegaukelt.
Ziemlich nachdenklich saß ich anschließend im Bus, der uns nach Hause brachte.
Christina Friede, Teilnehmerin der Bürgerreise nach Brno anlässlich des 50. Städtepartnerschaftsjubiläums Brno-Leipzig und langjähriges Vorstandsmitglied unseres Vereins „Freunde des MDR-Sinfonieorchesters e.V.“
Schlussapplaus nach dem Konzert des MDR-Sinfonieorchesters am Sonntag im Leipziger Gewandhaus unter Chefdirigent Dennis Russell Davies.
Ein großes Dankeschön an Susanne Schneider und Christina Friede für den informativen und sehr schön zusammengestellten Beitrag über die Reise der Städtedelegation und unseres Orchesters nach Brno.
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💞 Dankeschön!
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